Philipp Fürhofer im Interview: „Wir müssen berühren“ – Macbeth am Badischen Staatstheater Karlsruhe

PhilippFuerhofer_byMarcusHoehnDer Bildende Künstler Philipp Fürhofer ist bekannt für seine vielschichtigen Arbeiten. Diese bereichern nicht nur den Kunstbetrieb, sondern prägten bereits einige große Opern-Inszenierungen (unter anderem am Royal Opera House, London und an De Nederlandse Opera, Amsterdam) entscheidend mit. Sein nächstes spannendes Projekt: die Ausstattung von Verdis „Macbeth“ am Badischen Staatstheater. Die Oper feiert am 23. Januar 2016 in Karlsruhe Premiere!

Der Wahl-Berliner steuert zur Inszenierung von Holger Müller-Brandes Bühnenbild und Kostüme bei. Den Anspruch seiner Arbeit am Verdi-Projekt verrät mir Fürhofer in einem Interview: Nur nicht den 880. Standard-Macbeth zu machen, sondern auch jenseits der hochdramatischen Musik Verdis zu berühren.

Elisa Reznicek: Inwieweit spiegelt sich Ihre Kunst im Bühnebild einer Oper – oder sind das zwei getrennte Prozesse?

Philipp Fürhofer: Ich greife Aspekte auf, die mich in meiner Kunst beschäftigen und interessieren, zum Beispiel Spiegeleffekte oder bestimmte Malerei-Details, die dann auf der Bühne viel größer und installativer gezeigt werden. Meine eigene Kunst ist ja eine Mixed-Media-Geschichte, die Malerei mit verschiedensten Materialen und Formen verbindet. Wenn man die Oper als Gesamtkunstwerk betrachtet, kommen dort auch die unterschiedlichsten Bereiche zusammen und finden am Ende für den Betrachter gleichzeitig statt. Das ist vielleicht die Verbindung zwischen beiden Welten. Aber es ist nicht so, dass ich in meiner eigenen Kunst quasi kleine Bühnenbilder baue und diese dann in der Oper einfach großmache.

Elisa Reznicek: Wie kann man sich die Arbeit für die Macbeth-Inszenierung am Badischen Staatstheater vorstellen?

Philipp Fürhofer: Für eine größere Produktion wie diese oder auch für meine Arbeit an Covent Garden London sind schon zwei bis drei Jahre Planung nötig. Es ist ja nicht so, dass man jeden Tag acht Stunden am selben Projekt sitzt. Das läuft parallel zu meiner eigenen Arbeit im Atelier. Und es macht auch gar keinen Sinn, dass man sich täglich mit dem Regisseur trifft. Man sieht sich zwar sehr oft, aber es gibt auch Phasen dazwischen – wo man pausiert, für sich überlegt, recherchiert, am Modell weiterbaut. Bis man dann ans Haus geht, etwas vorstellt und dann in die Werkstätten, ist mindestens schon ein Jahr vergangen, in dem das Ganze gärt und köchelt. So eine Reflexionszeit nehme ich mir raus. Ich weiß, das machen nicht viele. Anders geht es schon allein wegen meiner Bildenden Kunst nicht. Ich finde es aber auch sonst nicht besonders erstrebenswert, sechs oder sieben Produktionen im Jahr zu stemmen, weil dann Verschleiß eintritt.

Gerade Macbeth, das man zwar ständig sieht, weil es sehr oft gespielt wird, ist ja im Grunde wahnsinnig komplex und auch schwer auf die Bühne zu bringen – vor allem die Oper. Ehrlicherweise muss ich sagen, dass ich gerade dieses Werk selten wirklich gut auf der Opernbühne gesehen habe. Wenn, dann war es nur musikalisch überzeugend. Deshalb mussten wir lange nachdenken, um zu einem Kern vorzustoßen, der uns interessiert.

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Elisa Reznicek: Welchen Ansatz haben Sie denn gewählt?

Philipp Fürhofer: Macbeth wurde ja von Verdi sehr stark verändert. Ganz deutlich wird das zum Beispiel bei den Hexen. Bei Shakespeare sind es drei, Verdi macht daraus einen ganzen Damen- bzw. Hexenchor. Das zeigt auch ein gewisses Gesellschaftsbild, nämlich dass im Grunde alle Frauen mit Ausnahme der Lady Hexen sind – wobei man sich auch fragen kann, ob sie nicht schon rein musikalisch auch aus dieser Welt kommt. Uns hat das Hexenbild sehr interessiert. Im Grunde geht es darum, dass dieses eine männliche Projektion auf Wesen ist, die ein Mann nicht durchschaut. Weil er Frauen nicht versteht, werden sie als Hexen abgestempelt. Das ist eine ganz klare Form von Hierarchisierung.

Das zweite ist die Rolle der Kinderlosigkeit, die in der Oper noch viel deutlicher als bei Shakespeare einfließt. Verdi war von dieser Art privaten Drama ja auch selbst betroffen, da seine ganze Familie gestorben ist. In der Verkündigung der Hexen wird klar, dass Macbeth König wird – aber sein Gefährte Banco, der einen Sohn hat, wird Vater von Königen. Macbeth kann alle Leute umbringen, die ihm im Weg stehen, aber das grausam Biologische dieses Omens kann er dadurch nicht verhindern, weil er mit der Lady kinderlos bleibt. Indem wir diesen Aspekt in unserer Deutung ganz klar hervorheben, machen wir aus Macbeth und der Lady wirklich tragische Figuren. Sie sind nicht wie sonst eine Art Monster, die für eine lustige Schauergeschichte herhalten, uns sonst aber nicht wirklich berühren. Es sind keine absurden Perversen, die eine Gesellschaft ins Unglück stürzen, sondern ganz im Gegenteil: Diese Figuren leiden an der Gesellschaft, in der man nur etwas gilt, wenn man Nachkommen produziert. Das ist eine Art Wechselwirkung.

Elisa Reznicek: Wie bringen Sie diese Aspekte auf die Bühne?

Philipp Fürhofer: Es ist ein einfaches Prinzip, das aber sehr komplex wirkt: Es ist ein großer Spiegelkasten auf einer Drehscheibe, der die ganze Zeit von zwei Beamern bestrahlt wird. Je nach Stellung des Kastens wird das daraus entstehende Motiv in die ganze Bühne reflektiert. Man ist die ganze Zeit überstrahlt von Licht. Die Beamer geben den gesellschaftlichen Takt vor. Zu sehen ist eine Art Verführung, zum Beispiel in Form von Unterwäschewerbung, die den ganzen Abend über laufen soll. Dadurch soll verdeutlicht werden, von was wir im Grunde geprägt werden. In dieser Konstellation müssen alle Sänger sich verhalten. Das verdeutlicht für uns diese Form von Getriebenheit und Geprägtheit durch die Gesellschaft. Macbeth und die Lady sind nicht nur das Herrscherpaar, das den anderen seinen Stempel aufdrückt, sie reagieren auch auf gesellschaftliche Umstände. Der gesellschaftliche Verfall, der stattfindet, ist auch in ihr selbst enthalten. Es bedingt sich gegenseitig. Das ist auch das Schwierige an diesem Stück, finde ich.

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Es ist großartige dramatische Musik, die mich schon als Kind fasziniert. Wenn man sich aber genauer überlegen muss, was man zeigen will, verfällt man im Grunde immer nur in Klischees und Plattitüden. Macht man daraus eine Diktatur wie in Nordkorea oder lässt man es ganz historisch? Ist es Jacky Kennedy und John F. Kennedy? Was ist das eigentlich? Die Gratwanderung und die Frage, wo uns das auch persönlich betrifft, ist das furchtbar Schwierige an diesen politischen Dramen. In unserem Fall war es das Gefühl, das Frauen im Grunde auch noch in unserer heutigen Gesellschaft diskriminiert werden, weil ein komisches Mächteverhältnis herrscht, von dem man unterbewusst geprägt wird. Außerdem hat uns die Frage der Nachkommenschaft und Kinderlosigkeit interessiert, was immer noch ein aktuelles Thema in unserer Gesellschaft ist, die ständig überaltert.

Elisa Reznicek: Macbeth aus diesem Blickwinkel anzugehen, klingt sehr spannend!

Philipp Fürhofer: Uns war auch sehr wichtig, nicht den 880. Standard-Macbeth zu machen. Das brauchen wir nicht. Wir haben uns wirklich sehr viel angeschaut: Andrea Breth in Amsterdam, Robert Carsen an der Deutschen Oper in Berlin … Meine Lieblingsinszenierung ist immer noch die von Peter Mussbach an der Staatsoper Unter den Linden. Sie ist zwar nicht besonders erhellend, aber musikalisch wahnsinnig schmissig. Oft wird versucht, einfach nur einen Eisschrank als Gegenpol zur Musik auf die Bühne zu setzen. Das ist dann immer irgendwie ein Oval Office oder ein graues Büro, in dem die Eminenz am Schreibtisch den Banco-Mord befielt. Das ist aber nicht der Punkt. Es kocht in der Musik – und dazu etwas zu finden, ist sehr schwer. Aber wenn man das schafft, kann das auch richtig berühren. Und das müssen wir schaffen!

Macbeth-Karlsruhe03_FelixGruenschlossTermin-Info
Die Premiere von Verdis Macbeth findet am 23. Januar 2016 am Badischen Staatstheater Karlsruhe statt. Ich werde auch vor Ort sein und bin sehr gespannt. Nicht nur, weil die Ausstattung wirklich mal einen neuen Ansatz verspricht, sondern auch, weil sich die Besetzung sehen, bzw. in diesem Fall besser hören lassen kann.

Alle Termine gibt’s auf der Homepage des Badischen Staatstheaters. Wer mehr über Philipp Fürhofer erfahren möchte, klickt bitte hier, um auf seine Seite zu kommen.

MUSIKALISCHE LEITUNG Johannes Willig
REGIE Holger Müller-Brandes
BÜHNE & KOSTÜME Philipp Fürhofer
MACBETH Jaco Venter
LADY MACBETH Kammersängerin Barbara Dobrzanska
BANCO Kammersänger Konstantin Gorny
MACDUFF Jesus Garcia


Interview: Elisa Reznicek, lebelieberlauter.de 2015/16
Die Fotos wurden mir vom Badischen Staatstheater Karlsruher zur Verfügung gestellt;
Porträt Philipp Fürhofer by Marcus Höhn; Bilder von der Hauptprobe by Falk von Traubenberg, Bild Macbeth by Felix Grünschloß