Interview mit Niklas Liepe zum New Paganini Project – „Jede Komposition hat ihren eigenen Charakter.“

Violinist Niklas Liepe habe ich letztes Frühjahr bei der Pressekonferenz der Karlsruher Meisterkonzerte kennen gelernt. Wir kamen ins Gespräch und er erzählte mir von seinem „New Paganini Project“, in dem er die Musik des als „Teufelsgeiger“ bekannten Niccolò Paganini mit einem neuen Twist versieht. 

Kern seines Projekts sind die zwischen 1802 und 1817 entstandenen 24 Solo-Capricen des Italieners, die sinfonisch eingefasst werden – mal von zeitgenössischen Komponisten wie Sidney Corbett und Claus Kühnl, teils von Andreas N. Tarkmann anhand historischer Bearbeitungen für Geige und Klavier für großen Klangkörper im Sinne der Originalverfasser (z. B. von Fritz Kreisler, Adolf Busch und Karol Szymanowski) orchestriert. Ziemlich spannend fand ich das, also haben wir uns zu einem späteren Zeitpunkt zu einem ausführlichen Interview zusammentelefoniert. 🙂

Das Projekt hat übrigens Anfang Januar 2017 Live-Premiere in Karlsruhe und Mainz. Es erscheint außerdem später im Jahr auf CD!

Elisa Reznicek: Wann sind Sie das erste Mal in Kontakt mit den Solo-Capricen von Paganini gekommen?

Niklas Liepe: Das erste Mal mit zehn oder elf Jahren. Wenn man als Geiger schon jung anfängt, zählen die Solo-Capricen zu den ersten schwierigen Stücken. Die enthaltenen Finessen bei den Spielarten und -techniken bringen einen voran.

Und wann haben Sie angefangen Geige zu spielen?

Mit vier. Ich habe zwei ältere Geschwister. Meine ältere Schwester ist Violinistin, mein Bruder ist Pianist. Ihnen habe ich oft zugehört. Und es ist doch so: Als Jüngster in der Familie will man natürlich auch das machen, was die Großen tun. Gerade die Geige hat mich beeindruckt. Also habe ich irgendwann damit angefangen.

Was hätte Ihre musikalische Familie denn gesagt, wenn Sie BWL studiert hätten? Hätten Sie Ärger bekommen? [lacht]

Ach Quatsch. Ich hätte auch Fußballer werden können. Meine Familie ist da ganz entspannt. [lacht]

Die Capricen sind ja nun schon ein langjähriger Begleiter. Ihr Reiz lässt Sie aber offensichtlich aber nicht los. Warum ist das so?

Wenn man an die Capricen zum ersten Mal rangeht, sieht man in ihnen zunächst nur eine technische Übung. Und auch bei Wettbewerben stehen sie oft auf dem Programm, weil man schauen möchte, ob die Leute überhaupt spielen können. Doch wenn man tiefer in die Stücke eintaucht, merkt man, wie viel Musik wirklich in ihnen steckt. Jede Komposition hat ihren eigenen Charakter und eine eigene musikalische Sprache. Genau das fasziniert mich so an diesen Capricen. Sobald man die Stücke aus einem anderen Blickwinkel sieht, haben sie eine ganz andere Wirkung. Indem man ein Orchester dazunimmt, bereichert man diesen musikalischen Aspekt zusätzlich. Daher auch mein besonderes Interesse daran.

Und wie haben Sie die Partner für das Projekt gewonnen, also sowohl das Orchester als auch die zeitgenössischen Komponisten?

Vor einigen Jahren habe ich mit Michael Sanderling gearbeitet. Er hat mir die Deutsche Radiophilharmonie als fantastisches Orchester empfohlen. Als die Idee zum New Pagagini Project aufkam, habe ich also Benedikt Fohr eine E-Mail geschrieben und ihn ganz einfach gefragt, ob sie nicht Lust hätten, das Projekt mit mir auf die Beine zu stellen. Von den mitwirkenden Komponisten kannte ich einige schon vorher, weil ich auch viel zeitgenössische Musik spiele. Außerdem habe ich mich mit Andreas Tarkmann zusammengesetzt, der fast so etwas wie der „Klassensprecher“ des Projekts ist, und wir haben verschiedene Leute angefragt. Uns war es wichtig, dass wir viele unterschiedliche Komponisten mit verschiedenen Facetten dabeihaben. Jemanden, der ganz zeitgenössisch schreibt. Jemanden, der eine besondere Klangfarbe ins Orchester bringt, usw. So haben Komponisten und Orchester zusammengefunden.

Konnte sich jeder Komponist sein Lieblingsstück raussuchen oder wurde das zugeteilt?

Jeder Komponist hat eine eigene Handschrift. Die Solocapricen haben wir entsprechend den Komponisten zugeordnet, so dass sich eine gute Symbiose aus beiden Welten ergibt.

Zur zeitgenössischen Musik kommt auch noch jene von verstorbenen Komponisten, wie Fritz Kreisler, Karol Szymanowski oder Adolf Busch, die von Andreas Tarkmann aufbereitet wurde …

Genau. Es gibt wahnsinnig viele historische Bearbeitungen der Capricen für Geige und Klavier. Andreas Tarkmann war dafür verantwortlich, den Klavierpart von beispielsweise Kreisler in dessen Handschrift zu orchestrieren. Außerdem hat er ein Stück auch selbst bearbeitet.

Haben Sie Favoriten, die für Sie persönlich herausstechen?

Favoriten habe ich ehrlich gesagt nicht. Jede dieser Capricen hat einen ganz eigenen Charakter. Daher kann man sie untereinander eigentlich gar nicht vergleichen. Jedes Stück könnte für sich alleine stehen, was den Stil und Klangcharakter betrifft. Meine Vorgabe war ja, dass der Geigenpart nicht bearbeitet wird, sondern soweit möglich original bleibt. Das Historische und das Zeitgenössische verbinden sich also. Die Bearbeitungen gehen daher nicht total ins Extreme und bleiben melodisch. Es gibt nichts, wo man denkt, die Geige würde gleich auf den Boden geschmissen [lacht] Aber wir haben natürlich auch Stücke dabei, die den zeitgenössischen Charakter stärker widerspiegeln als andere.

Gibt es schon einen Veröffentlichungstermin für die CD zum „New Paganini Project“?

Ein fixes Datum gibt es noch nicht, weil wir im August 2017 noch eine zweite Aufnahme-Session machen, die danach noch ins Mastering geht. Als Wunschtermin haben wir Ende 2017 angepeilt.

Die Konzerte in Karlsruhe (7.1., Konzerthaus) und Mainz (8.1., Rheingoldhalle) sind die Premiere Ihres Projekts?

Genau, die 13 Capricen, die wir jetzt spielen, werden erstmals vor Publikum gespielt. Am 31. August findet noch ein weiteres Konzert statt – dann in Kaiserslautern.


Interview: Elisa Reznicek, lebelieberlauter.de
Aufmacherbild: Kaupo Kikkas/PR über www.karlsruhe-klassik.de/presseservice (3.1.17)
Bild 2: Elisa Reznicek, lebelieberlauter.de