Interview mit Pianist Kristjan Randalu zum ECM-Debüt „Absence“ und dem neuen Trio

Pianist Kristjan Randalu (auf dem Bild ganz links) kenne ich gefühlt schon eine halbe Ewigkeit. Ich kann mich noch gut an die kleinen Konzerte im Musentempel Karlsruhe erinnern, bei denen vor etlichen Jahren Titel wie „Das Leben ist zu kurz um schlechten Wein zu trinken“ gespielt wurden. Seitdem hat sich viel getan und noch mehr verändert. Nur schlechter Wein wird immer noch nicht konsumiert. 😉

Der in Karlsruhe aufgewachsene Musiker hat Anfang April 2018 sein Debüt bei ECM veröffentlicht. „Absence“ heißt die Platte, die der Este gemeinsam mit Gitarrist Ben Monder und Schlagzeuger Markku Ounaskari eingespielt hat. Damit reiht er sich in den beachtlichen Katalog von ECM ein, das als eines der wichtigsten Labels für zeitgenössischen Jazz weltweit gilt (u. a. Jan Garbarek, Keith Jarrett).

Interview mit Jazz-Pianist Kristjan Randalu zum ECM-Debüt „Absence“

Mit Kristjan Randalu habe ich im Vorfeld seines Konzerts im Tollhaus Karlsruhe (DO, 26.4., 20 Uhr) ein Interview geführt, aus dem dann ein Porträt im Auftrag der Badischen Neuesten Nachrichten entstanden ist. Viel Spaß beim Lesen des Interviews und des Artikels. 🙂

Elisa Reznicek: „Absence“ ist nicht deine erste CD, aber dein Debüt bei ECM. Was bedeutet es dir, jetzt bei diesem wichtigen Label zu veröffentlichen?

Kristjan Randalu: Ich wurde bei früheren Interviews immer wieder nach grösseren Zielen gefragt. Ich konnte keine konkrete Antwort geben und wollte – möglicherweise etwas abergläubisch – bislang unverwirklichte Pläne nicht öffentlich aussprechen. Rückblickend muss ich aber sagen, dass diese Aufnahme für mich definitiv einen wichtigen Punkt darstellt. Die ECM-Platten haben mich musikalisch maßgeblich geprägt. Meine eigene Musik nun in diesem Kontext herausbringen zu können ist für mich der Idealfall.

Elisa Reznicek: Wie ist die Musik entstanden? Bringst du quasi das fertige Gerüst mit und die anderen steuern Klangfarben bei oder ist das ein Prozess, der von Anfang an euch Drei involviert?

Kristjan Randalu: Als Ausgangspunkt hatte ich konkrete Kompositionen, aber bereits mit strukturierten Freiräumen, die teils auch spezifisch für bestimmte Spieler gedacht waren. Die endgültige Form entsteht aber nach einigen Auftritten, nachdem man die Dramaturgie der Stücke in Echtzeit durchleben konnte. In dieser Musik steuern alle Mitspieler ihre individuelle Farbe bei.

Elisa Reznicek: Die Besetzung geht auf einen Vorschlag von Produzent und ECM-Mastermind Manfred Eicher zurück. Hat es gleich zwischen euch drei Musikern gepasst?

Es stand zunächst die Idee mit einem Klaviertrio im Raum: Klavier, Bass, Schlagzeug. Manfred Eicher hatte aber meine frühere Aufnahme mit Ben Monder („Equilibrium“ 2012) gehört und machte den Vorschlag, diese gemeinsame musikalische Linie weiterzuverfolgen. Letztendlich lief es dann auf das Trio Klavier-Gitarre-Schlagzeug hinaus – eine eher ungewöhnliche Besetzung.


Ben ist in New York, Markku in Helsinki – unsere musikalischen Treffen sind daher immer fokussiert. Zum Zeitpunkt der Aufnahme hatten wir das Material bereits öfters gemeinsam gespielt. Somit ging es nicht um den Überraschungsmoment oder darum, ob die Chemie im Studio stimmt. Die Frage war eher, wie wir die Stücke aufbrechen und wieder neu zusammensetzen können, wo wir neue Freiräume finden.

Elisa Reznicek: Du bist auch klassisch am Klavier ausgebildet. Inwiefern helfen dir die in der Klassik erworbenen Skills im Jazz und andersherum? Du bewegst dich ja teilweise auch zwischen den Sparten …

Kristjan Randalu: Ich verbinde mit der klassischen Ausbildung den Sinn und die technischen Mittel für den Klang; nicht nur für das Tonmaterial, sondern für die gesamte Palette aller möglichen Farben, die das jeweilige Instrument hergibt. Im Jazz steht für mich im Vordergrund, ob eine Situation energetisch funktioniert, ob eine Synergie zwischen den Musikern (und dem Publikum) entsteht. Diese Fragen sind auch als Interpret relevant, werden aber öfters durch die Fülle an vorgegebenem Notentext in den Hintergrund gedrängt.

Elisa Reznicek: Du hast dir in Karlsruhe deine ersten musikalischen Sporen verdient. Wie ist es am 26. April wieder in deiner Heimatstadt zu spielen?

BNN-Porträt Kristjan Randalu by Elisa Reznicek (zum Vergrößern anklicken)

BNN-Porträt Kristjan Randalu by Elisa Reznicek (zum Vergrößern anklicken)

In Karlsruhe fing für mich musikalisch alles an, was einen Bezug zum Jazz hat. Da sind zum Beispiel die Big Band mit Horst Günther Rothe am Helmholtz-Gymnasium und die Combo des Badischen Konservatoriums mit Laszlo Wolpert zu nennen. Zusätzlich war ich in dieser Zeit wohl bei fast allen Pianisten im Unterricht, die in der Stadt etwas mit Jazz zu tun hatten. Parallel war ich mit klassischem Klavier Vorschüler an der Musikhochschule bei Sontraud Speidel.

Viele Spielstätten sind über die Jahrzehnte unverändert geblieben, die Erfahrungen und Erinnerungen an frühere Auftritte dort fühlen sich manchmal typisch kindheitsbezogen an – als hätten sich die Räume verkleinert. Maßgeblich sind natürlich die vielen bekannten Gesichter und rein praktisch auch die Tatsache, dass man zu Hause ist und nicht in einem beliebigen Ort, in einem beliebigen Hotel.


Interview: Elisa Reznicek, 2018
Porträt erschienen in den Badischen Neuesten Nachrichten Karlsruhe am 20.4.2018
Video: ECM bei YouTube, abgerufen am 25.4.2018
Aufmacherfoto: Gildas Bocle/PR

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