„Oper ist doch einfach etwas Wunderbares“, seufzt meine Sitznachbarin nach dem Ende der Händel-Oper „Arminio“ von und mit Max Emanuel Cencic ganz verzückt. Recht hat sie! Diese Premiere bei den Internationalen Händel-Festspielen Karlsruhe versöhnt wieder mit der Opernwelt, nachdem es am Badischen Staatstheater zuletzt etwas schwierig war, echte Glücksgefühle im Musiktheater zu spüren!
Nach der verschwurbelt-verkorksten Inszenierung der „Bohème“ und den miserablen Kritiken und Buh-Rufen, die vor allem das „Macbeth“-Regie-/Ausstatter-Team trafen (>> eine Meinung, die ich übrigens nicht teile, wie ich bereits im „Klartext: unverdient ausgebuht“ geschrieben habe), ist dem Haus und seinen Besuchern endlich, endlich, endlich einmal wieder ein großer Wurf zuteil geworden. Dass es eine Fremdproduktion im Rahmen der Händel-Festspiele Karlsruhe ist – geschenkt. Wenn Oper nur immer so viel Spaß machen würde!
Countertenor Max Emanuel Cencic: Volltreffer mit Händels „Arminio“
Countertenor-Star Max Emanuel Cencic hat sich die vergessene Händel-Oper „Arminio“ gegriffen und sie in der Doppelrolle als Regisseur und Titelheld in ein farbenfrohes, gesangsstarkes, ausgezeichnet instrumentiertes Spektakel verwandelt. Seine Inszenierung bringt Esprit, Tempo und teils auch Selbstironie auf die Bühne, kontrastiert mit emotionalen Momenten, die zum Glück ohne Pathos und Kitsch auskommen.
Es geht um ganz große Gefühle
Zwar liest sich die kurze Inhaltsangabe auf der Homepage des Badischen Staatstheaters unglaublich tröge („Dem Cheruskerfürst Arminius gelingt es, in der berühmten Herrmannsschlacht die römischen Legionen vernichtend zu schlagen, was den Aufbruch der Germanen in eine selbstbestimmte Staatsform möglich macht.“), doch vor Ort wird schnell klar: Es geht nicht um trockene Geschichte. Es geht um ganz große Gefühle!
Alles dreht sich um Liebe und Treue gegenüber der jeweiligen Herzensdame und dem eigenen Volk. Um Intrigen und Verrat (innerhalb der Familie; auf dem Schlachtfeld; im Rausch der Macht- und Bedeutungsgier). Und ja, sogar um Sex! Holla die Waldfee. Da sprühen nicht nur musikalisch immer wieder die Funken! Kein Wunder, dass die rund 3 Stunden reine Spielzeit wie im Flug vergehen … und das bei einer Oper, die im Kern eigentlich ein Konversationsstück ist.
Toll besetzt und musikalisch aufbereitet
Was aber „rockt“ bei dieser Barockoper so? Einerseits ist da die tolle Besetzung, in der sich Charaktere wie Stimmfarben ausgezeichnet ergänzen:
- Max Emanuel Cencic (Arminio; braucht stimmlich etwas „Aufwärmzeit“, ist aber spätestens ab Akt 2 voll da und gibt den edelmütigen Teufelskerl in seiner Altrolle)
- Vince Yi (Sigismondo; für mich in der Kastratenrolle mit seiner glockenklaren Sopranstimme das gesangliche Highlight in diesem an Glanzlichtern reichen Abend)
- Layla Claire (Tusnelda; tolle Koloraturen, viel Verve)
- Ruxandra Donose (Ramise; souverän, aber nicht herausragend … ok, meckern auf hohem Niveau)
- Pavel Kudinov (Segeste; schön düster in seiner Rolle, eher schauspielerisch als stimmlich auffallend)
- Juan Sancho (Varo; passt)
- Owen Willetts (Tullio; passt)
Andererseits sorgen George Petrou und sein hervorragend aufspielendes Orchester Armonia Atenea sowie die üppige, mehrdimensionale Ausstattung von Helmut Stürmer für ein Aufmerken im Publikum. Hier passt einfach alles – und wird mit viel Applaus und Bravo-Rufen honoriert. Chapeau!
Prädikat: sehenswert!
Wer noch die Chance hat, sich die Oper „Arminio“ bei den 39. Internationalen Händel-Festspielen Karlsruhe anzuschauen, sollte das wirklich tun! Alle Termine gibt’s hier.
Alle anderen können auch zur hochgelobten Weltersteinspielung in fast der gleichen Besetzung greifen. Sie erscheint am 11. März 2016 bei Decca/Universal Music, bietet aber naturgemäß nur den musikalischen Genuss.
Kurzes Best-of-Video zu Cencics Inszenierung von „Arminio“ in Karlsruhe
Text: Elisa Reznicek, lebelieberlauter.de 2016
Fotos: Falk von Traubenberg/PR
Video: Badisches Staatstheater Karlsruhe